Kanzler Scholz reist an den Golf. Dort wird er Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Katar besuchen. Er muss viel Fingerspitzengefühl beweisen, denn es geht um Gaslieferungen und Menschenrechte.
Von Nicole Kohnert und Georg Schwarte, ARD-Hauptstadtstudio
Wenn Kanzler Olaf Scholz sich heute mit dem saudi-arabischen Kronprinzen Mohammed bin Salman trifft, braucht er erstmal eines: viel diplomatisches Geschick. Denn der Kronprinz, MBS sein Kürzel, war lange Zeit international isoliert. Mohammed bin Salman gilt als mutmaßlicher Auftraggeber des Mordes am Journalisten Jamal Khashoggi im Oktober 2018 im saudischen Konsulat in Istanbul.
„Der Mord wird sicherlich in den Gesprächen eine Rolle spielen“, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit im Vorfeld der Reise. Welche, das wage er derzeit nicht vorzuahnen.
Experte: Sanktionen stets halbherzig
Die politische Isolation von MBS hielt international nicht lange an, dafür ist Saudi-Arabien als Energielieferant und Wirtschaftsmacht zu wichtig. Im Dezember reiste der französische Präsident Emmanuel Macron hin, dann der damalige britische Regierungschefs Boris Johnson, zuletzt US-Präsident Joe Biden – und jetzt also Kanzler Scholz.
Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik hatte schon vor längerer Zeit erklärt, Boykotte und Sanktionen des Westens gegen das Land seien stets eher halbherzig. „Saudi-Arabien hat die Erfahrung gemacht, dass der Westen das Königreich braucht und dass dann solche Hinrichtungen längerfristig auch nicht schaden“, sagt Steinberg.
Ziel sind Energiepartnerschaften
Die Energiekrise zwingt zu Pragmatismus, scheint es. Und so ist das bestimmende Thema: die Energiesicherheit und wie die arabischen Länder Deutschland dabei helfen können, fernab von Diskussionen über Menschenrechte. Obwohl Wirtschaftsminister Robert Habeck immer wieder verspricht, dass die Gaslager gerade gut gefüllt sind, um über den diesjährigen Winter zu kommen, ist der Druck groß, dass Deutschland schnell viele Energiepartnerschaften schließen muss.
So spricht der Kanzler also mit Saudi-Arabien, dem Land, das erst im Juli im großen Stil russisches Öl gekauft hatte, obwohl es selbst ausreichend Öl produziert. Doch das russische Öl war billig zu haben und so nutzte das Land das importierte Öl für die Stromerzeugung und konnte so eigenes Öl besser verkaufen.
Der Kanzler als Türöffner
Saudi-Arabien will künftig noch mehr Öl und Gas fördern und viel in Wasserstoffprojekte investieren. Das Ziel des Golfstaates: der weltweit größte Wasserstoffproduzent werden. Davon will die Bundesregierung nun profitieren und nicht ohne Grund hat das Wirtschaftsministerium seit Februar dort ein Büro für „Wasserstoffdiplomatie“ eröffnet.
Scholz wird also an seiner ersten Station schon den Spagat schaffen müssen – zwischen Diplomatie und Geschäftssinn. Das alles im Sinne der hochkarätigen Wirtschaftsdelegation, die ihn begleitet – und in allen drei Ländern Geschäfte machen will. Der Kanzler ist dabei ein Türöffner.
Suche nach mehr Flüssiggas
Auch wenn Scholz wenige Stunden später in den Vereinigten Arabischen Emiraten eintrifft, ist das Gesprächsthema gesetzt: Geschäfte mit Flüssiggas. Wirtschaftsminister Habeck hatte Scholz dort zuvor die Türen geöffnet und sich vor den Regierungschefs verneigen müssen. „Energiepartnerschaften sind Politik“, sagte Habeck. „Und wenn sie bei erneuerbaren Energien sind, sind sie eher ein Beitrag zur Entspannungspolitik“.
Und so verkündete Wirtschaftsminister Habeck auch vor der Scholz-Reise schon, dass der Kanzler sicherlich einige Verträge für Flüssiggas in den Vereinigten Arabischen Emiraten unterzeichnen würde. Der Erwartungsdruck ist also hoch, dass es dann auch passiert.
Katar pocht auf langfristige Lieferverträge
Der zweitgrößte Exporteur von Flüssiggas weltweit ist Katar, die dritte Station der Scholz-Reise. Berlin will Gas. „Großartigerweise kann ich sagen, dass wir eine langfristige Energiepartnerschaft eingehen wollen“, sagte Wirtschaftsminister Habeck, als er im März in Katar war. Jetzt will Scholz Ergebnisse – und die große Wirtschaftsdelegation auch.
Allerdings will Katar langfristige Lieferverträge, 20 Jahre oder sogar mehr. Berlin will das Gas nur als Brücke hin zu erneuerbaren Energien. Bisher gab es darum noch kein Gas aus Katar. Doch generell heißt es aus Regierungskreisen mit Blick auf die Golf-Reise: Wir werden ambitionierte Vorschläge zum Abschluss bringen. Heißt: Ohne eine Lösung für mehr Energiesicherheit wird der Kanzler wohl nicht zurückkommen nach Berlin.
Source : Tages Schau